Die Nassrasur



Nun ja, das Problem ist wohl so alt wie die Menschheit, im Gesicht des Mannes wachsen die Haare stärker als im Gesicht der Frau (was zwar unfair ist, mir persönlich aber lieber als umgekehrt). Irgendwann in grauer Vorzeit begannen die Frauen dann an der Haartracht des Mannes herumzumäkeln. Was blieb dem armen Manne also anderes übrig, Feuersteinklinge gesucht, alternativ eine Muschel angeschliffen, und den Haarwuchs, so gut es ging, reduziert. Höhlenmalereien beweisen es: bereits vor 20 000 Jahren gab es bärtige und bartlose Männer. Und damit begann dann alles Übel. Die anfänglich locker im Winde wehende Haarpracht wurde stoppelig. Das war den damaligen, wie auch den heutigen Frauen nun auch wieder nicht genehm. So grausam kann das Leben (die Frauen) sein. Seit dieser Zeit haben wir Männer ein Problem. Wie bekomme ich das Gesicht so glatt, dass die Meckerei ein Ende hat.

Römer Irgendwann war es dann so weit, das Rasiermesser wurde erfunden (Not macht ja bekanntlich erfinderisch). Erfinder waren wahrscheinlich die Ägypter, bei denen die Rasiermesser aus Bronze sogar mit ins Grab gegeben wurden. Jahrhunderte, ja Jahrtausende wurde nun mit dem Rasiermesser rasiert. Rasur kommt übrigens aus dem Lateinischen und bedeutet soviel wie: das Schaben, Kratzen, Abrasieren (von rasura). Obwohl sie der Rasur den Namen gegeben haben, bei den Römern war die Rasur verpönt. Man rasierte sich nur dann, wenn man in den Krieg zog. Schließlich war so ein Vollbart im Zweikampf nur hinderlich.

Den größten Coup auf dem Markt der mechanischen Haarkiller landete Anfang des 20. Jahrhunderts ein Herr namens King C. Gilette (US-Patent Nr. 775 134). Die Idee, Rasierapparate mit Wegwerfklingen herzustellen, war nicht nur gut "für das Beste im Mann", sondern auch einträglich für Gillettes Bankkonto. RasiererWer kennt sie noch, die Apparate, bei denen der Griff vom Oberteil abgeschraubt wurde, zwischen die gebogenen Kopfteile eine Rasierklinge (Rotbart z. B.) eingelegt und dann mittels angeschraubtem Griff in die entsprechende Stellung gebogen wurde. Die Klingen waren auch bei den Leuten, die mit Tusche auf Transparentpapier zeichnen mussten (gut zur feinen Korrektur), beliebt, lange bevor es CAD-Programme gab.

Leider war der Mann mit dem bisher erreichten nicht zufrieden, irgendein Verwirrter erfand in den 30er Jahren den Elektrorasierer, ein Rückschritt, denn das was da abgeliefert wurde war eine Rasur (wenn man das überhaupt so nennen kann, die nur ein paar Stunden hielt. Sicher, man hat seit dem daran gearbeitet, Schwingkopf, drehende Scherköpfe, Selbstreinigung ..., aber was hat es gebracht, gegen die Klingenrasur kommt der Elektrorasierer immer noch nicht an, denn auch da hat man sich weiterentwickelt, Tandem-Klingen, 3-fach Klingen, die Modelle sind fast nicht zu zählen, natürlich untereinander nicht kompatibel und dem Ziel, eine Rasur wie mit dem Rasiermesser zu erzielen, noch immer weit entfernt.

Und damit sind wir, nach einem kleinen Vorspiel, bei der eigentlichen Story, der Nassrasur. Wer sich und seiner Nachbarin (oder vielleicht der eigenen Lebensgefährtin) einmal etwas Gutes tun will, der soll sich einmal mit der Rasur mit dem Rasiermesser beschäftigen. Wer sich nicht ganz sicher ist, der sollte doch einmal ein paar Mark, ach nein, das heißt ja heute Euro, springen lassen und sich beim Frisör einmal mit der Klinge rasieren lassen. Das Ergebnis ist fühlenswert. Wer danach überzeugt ist, hier kommen die ersten Tipps zum Selbstversuch.

Das wichtigste Zubehör ist das RasiermesserRasiermesser. Hier sollte man sich in einem guten Fachgeschäft beraten lassen, Material und Farbe des Griffes sind da dem persönlichen Geschmack überlassen. Gleichzeitig ist die Anschaffung eines Lederriemens zum Abziehen der Klinge erforderlich, gibts im gleichen Geschäft. Damit ist die Grundausrüstung eigentlich schon vorhanden. Schaum kann man auch aus der Dose (igittigitt) nehmen. Also fehlt doch noch etwas, wer es kennt wird es nie wieder missen wollen, der RasierpinselRasierpinsel. Mein Tipp: Hier nicht sparen. Niemals die 5 Euro-Teile aus dem Drogeriemarkt nehmen. Die sind zwar auch zum Auftragen von Rasierseife gedacht, erfüllen diese Aufgabe aber nur widerborstig. Ein Rasierpinsel muss aus Dachshaar sein. Nur diese Pinsel sind in der Lage die Rasierseife so zart auf die gestresste Männerhaut aufzutragen, dass sich der Mann wie gestreichelt fühlt (und dass schon am frühen Morgen).

So ausgerüstet fehlen eigentlich nur noch ein paar Kleinigkeiten: Rasierseife, Wilkinson hat eine gute im Plastiktopf und ein Alaun-Block. Beides gibts nicht bei Else vom Spar-Markt aber im dm.

Also nun zur Technik. Als Erstes wird der Abziehriemen im Bad so befestigt, dass man auch daran ziehen kann. Am Besten so, dass das Leder in Höhe des Brustkorbes ist. Das Rasiermesser wird aufgeklappt (Vorsicht, ist auch so schon scharf) und vorsichtig so auf den Riemen aufgesetzt, dass die stumpfe auf den geneigten Rasierer zeigt und zieht die Klinge mit leichtem Druck auf das Leder auf sich zu. Wichtig ist, dass es ein kleiner Bogen wird, damit die ganze Klinge über das Leder gezogen wird. Unten angekommen wird die Klinge gedreht und nach oben gezogen. Diese "Prozedur" wird nun 8 bis 10 mal wiederholt und das Messer dürfte nun "rasiermesserscharf" sein.

Nun beginnt die Vorbereitung der Haut. Ordentlich mit heißem Wasser und Seife gewaschen und die Poren sind offen. Nun wird der Rasierpinsel mit heißem Wasser befeuchtet und in kreisenden Bewegungen im Seifennapf mit Seife gefüllt (die Seife zieht durch die Kapilarwirkung in den Pinsel hoch und kommt durch leichtes Abstreifen am Rand des Napfes wieder an die Haarspitzen. Und nun auf die Haut damit. Mit kreisenden Bewegungen wird das Gesicht (nur der zu rasierende Teil, nicht in die Augen kommen *grins*) eingeseift. Eine Wohltat, dieser weiche Pinsel. Und nun kommt das Rasiermesser zum Zuge. Vorsichtig wird das Messer im flachen Winkel aufgesetzt und in Strichrichtung der Barthaare (im Regelfall von oben nach unten) geschabt. Nach meiner Erfahrung ist es am Einfachsten, die rechte Gesichtshälfte mit der rechten Hand und die linke Hälfte mit der linken Hand zu rasieren. Wenn das nun alles erledigt ist, kommt der Pinsel nochmals zum Einsatz. Also heißes Wasser, Seifen-Napf und und wieder Seife aufnehmen und das Gesicht mit sahnigem Schaum verwöhnen.

Die nächste Rasur sollte gegen die Wuchsrichtung der Stoppeln erfolgen. Hierbei wird nun die rechte Gesichtshälfte mit der linken Hand und umgekehrt rasiert. Übrigens, den Schaum kann man unter fließendem Wasser von der Klinge spülen (Vorsicht, dran denken die Bartstoppeln nachher aus dem Waschbecken zu spülen) oder an einem Blatt Küchenrolle oder Toilettenpapier abstreifen.

So, nun noch das Gesicht mit kaltem Wasser von der restlichen Seife befreien und anschließend den Alaunstein über das Gesicht führen. Wer will kann auch ein After Shave nehmen. Da ich mich vor dem Duschen rasiere wäre das aber reine Geldverschwendung.

Das Rasiermesser wird unter fließendem Wasser abgespült und sorgfältig abgetrocknet. Der Rasierpinsel wird unter fließendem warmem Wasser ausgespült bis keine Seife mehr im Pinsel ist und anschließend hängend aufbewahrt. Niemals stehend, da läuft dann das Wasser in den Pinselgriff und löst den Leim, der die Dachshaare zusammenhält, auf. Ein kleiner Tipp am Rande, für unterwegs kann man den Pinsel in einer Papprolle aus dem Toilettenpapier sicher transportieren.

So, ich hoffe ich habe einige unter Euch dazu bringen können, den ersten Schritt, den Schritt zum Frisör, zu machen um sich von einer Qualitätsrasur zu überzeugen. Wer das kennt, der wird ganz schnell zu einem Anhänger dieser Methode werden, ich bin es seit Jahren. Sollte jemand fragen haben, dann einfach eine Mail an mich

So, und nun viel Spaß wünscht Euch

Ulli von Ulliswelt.com




© Ulrich Hoffmann 2003